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Genom-Editierung durch CRISPR/Cas9 und die Folgen

Auf Einladung des SFB 973 diskutierten Professorinnen und Professoren der Mikrobiologie, Biochemie, Genetik und Ethik mit Studierenden über die ethischen Aspekte von Genom-Editierung.

Zur Filmvorführung und Diskussion waren Studierende und Beschäftigte aller Fachrichtungen eingeladen.

Zur Filmvorführung und Diskussion waren Studierende und Beschäftigte aller Fachrichtungen eingeladen.

In Kooperation mit der Produktionsfirma Mindjazz und der Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie e.V. (GBM) hatte der Sonderforschungsbereich SFB 973 zu einer öffentlichen Vorführung des Dokumentarfilms „Human Nature - Die CRISPR-Revolution“ mit anschließender Diskussion in einen Hörsaal der Silberlaube eingeladen. Im SFB 973 wird das molekulare Gedächtnis von Pflanzen, Bakterien und Pilzen, auch „Prägung“ genannt, erforscht. Viele der dort tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigen sich mit der Forschung an Pflanzen und setzen das CRISPR/Cas9-System in ihrer Forschung bereits als Genschere ein.

Die Abkürzung CRISPR steht für „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“ – das sind Abschnitte sich wiederholender DNA-Sequenzen, die durch verschiedene Spacer unterbrochen werden und im Erbgut vieler Bakterien auftreten. CRISPR/Cas9 stellt ein Immunsystem von Bakterien als Schutz gegen virale Infektionen dar. Die Immunität wird durch die Spacer vermittelt, die Teile der viralen DNA sind und bei vergangenen Virusinfektionen durch Cas-Proteine in den CRISPR-Lokus eingebaut wurden. Die Genschere Cas9 ist dabei Teil des CRISPR/Cas9 Immunsystems, das die zentrale Rolle bei der Überwachung und dem Schutz der Bakterien gegenüber Viren spielt. Heute kann man mit der Methode das Genom von Menschen, Tieren, Pflanzen und auch Bakterien an einer gewünschten Stelle zerschneiden, Gene ausschalten, gezielt verändern oder an der Schnittstelle neue Abschnitte einfügen.

Der Dokumentarfilm des Regisseurs Adam Bolt erläutert die biochemischen Grundlagen dieser revolutionären Technologie und erkundet die möglichen Folgen. Zu Wort kommen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die CRISPR/Cas9 entdeckten und damit forschen, Familien mit Erbkrankheiten, die davon profitieren könnten und Firmen, die die Genschere ungeachtet der ungeklärten ethischen Fragen bereits gewinnbringend einsetzen.

Eine Kooperation mit der Produktionsfirma Mindjazz ermöglichte die Vorführung im Hörsaal.

Eine Kooperation mit der Produktionsfirma Mindjazz ermöglichte die Vorführung im Hörsaal.
Image Credit: Marion Kuka

50 bis 80 Prozent kranker Blutzellen lassen sich ersetzen

Ein heimlicher Star des Films ist der Jugendliche David Sanchez, der seit seiner Geburt an der Blutkrankheit Sichelzellenanämie leidet und durch CRISPR/Cas9 geheilt werden könnte. Auf seine Heilungschancen bezog sich eine Frage aus dem Publikum: Können wirklich 50 bis 80 Prozent der defekten Blutzellen eines Menschen „repariert“ werden?

Florian Heyd, Professor für RNA-Biochemie, bejahte und erklärte das Prinzip: „Eine dem Patienten entnommene Blutstammzelle wird mit der Genschere modifiziert, durch Klonieren vervielfältigt, überprüft und dann wieder ins Knochenmark injiziert. Wenn vorher das gesamte blutbildende System des Patienten ausgelöscht wurde, bildet es sich auf Basis einer einzigen veränderten Zelle neu.“

Daniel Schubert, Professor für Epigenetik der Pflanzen, wies darauf hin, dass CRISPR/Cas9 zwar nicht die einzige Methode für das Editieren des Genoms ist – also das Verändern vorhandener Gene oder das Einbringen neuer Gene in die DNA – sei, aber derzeit die effizienteste.

Doch wie sicher ist die Methode? „Es gibt Limitationen“, betonte Florian Heyd. Mit dem Editieren seien noch einige Schwierigkeiten verbunden. Außerdem könne man noch nicht alle Sequenzen eines Genoms treffsicher ansteuern und schneiden. „Langfristig sind aber Lösungen dafür zu erwarten“ sagte der Biochemiker.

Therapiekosten im sechs- bis siebenstelligen Bereich

Und was kostet das? Thomas Schmülling, Professor für Angewandte Genetik und Entwicklungsbiologie, zitierte Medienberichte, denen zufolge die Therapiekosten für Patienten mit Sichelzellenanämie oder der Blutkrankheit Beta-Thalassämie im sechs- bis siebenstelligen Eurobereich liegen werden. Bei häufiger Anwendung könnten die Preise zwar sinken, und auch die Standardtherapie mit Bluttransfusionen sei teuer. Dennoch stehe die Frage im Raum, ob Krankenkassen solche Behandlungen bezahlen könnten und sollten.

Auf die Frage, ob man – wie im Film angeklungen – seine Augenfarbe mit CRISPR/Cas9 ändern könne, hatte Thomas Schmülling eine klare Antwort: „Kaufen Sie sich besser ein paar farbige Kontaktlinsen!“ Die zu verändernden Zellen müssten gut erreichbar sein – wie die Stammzellen im Knochenmark. „Ein Merkmal wie die Augenfarbe können Sie nur an der befruchteten Eizelle verändern. Das wäre jedoch ein Eingriff in die Keimbahn, also eine Veränderung des menschlichen Erbguts, die an alle Nachkommen weitergegeben wird.“

Ein höchst umstrittenes Thema, wie der Biochemiker Jens Peter Fürste betonte: „Das Editieren der menschlichen Keimbahn ist weltweit verboten und wurde bisher nur einmal Ende 2018 durch den chinesischen Forscher He Jiankui an menschlichen Embryos von Zwillingen illegal durchgeführt. Dies führte zu großer Empörung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich daraufhin für ein Moratorium zum weltweiten Stopp von Eingriffen in die Keimbahn für die kommenden fünf Jahre ausgesprochen.“ Unterzeichnet sei es allerdings noch nicht. (Anmerkung der Redaktion: Die drei chinesischen Wissenschaftler, die an der Genom-Editierung der Zwillinge beteiligt waren, wurden inzwischen zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt.)

Mit Präimplantationsdiagnostik zum Designer-Baby?

Als Alternative zur Vermeidung von Erbkrankheiten wird die Präimplantationsdiagnostik hingegen bereits angewendet: Die Gene von Embryos werden kurz nach der künstlichen Befruchtung untersucht. Ein Embryo wird nur dann in die Gebärmutter eingepflanzt, wenn keine Gendefekte vorliegen. In Deutschland ist die Methode ausschließlich zur Vermeidung von schweren Erbkrankheiten, Tot- oder Fehlgeburten zulässig. Aber auch die Auswahl des Geschlechts oder bestimmter erblicher Eigenschaften des Kindes sind prinzipiell möglich.

In diesem Zusammenhang wies die Bioethikerin Lilian Marx-Stölting auf ethisch relevante Unterschiede zwischen Therapie, Prävention und Enhancement – also der „Verbesserung“ von genetisch bedingten Merkmalen hin. Krankheiten zu heilen oder vorzubeugen habe eine höhere Legitimation als der Wunsch, seine Kinder mit Erbanlagen für gutes Aussehen oder hohe Intelligenz auszustatten.

Diversität ist wertvoll

„Aber haben wir als Gesellschaft überhaupt ein Interesse an einer vollständig gesunden Population?“ wandte eine Teilnehmerin ein. Krankheit sei ja nur das, was wir als Krankheit definierten. „Es gibt durchaus Erkrankungen und Behinderungen, die nicht direkt mit Leid oder Tod gekoppelt sind. Durch Präimplantationsdiagnostik verzichten wir auf Menschen, die eine andere Perspektive auf unsere Gesellschaft haben.“

Im Film wurde außerdem deutlich, dass Gendefekte, die Erbkrankheiten wie die Sichelzellenanämie auslösen, auch Vorteile haben können, wenn sie nur auf einem Chromosom vorhanden sind: Dann bietet dieser spezielle Gendefekt nämlich einen gewissen Schutz vor Malaria. Auch das sei ein Argument dafür, dass wir grundsätzlich Diversität zulassen sollten, betonte die Mikrobiologie-Professorin Haike Antelmann. Sie plädierte dafür, die Keimbahntherapie ohne Einschränkung zu verbieten. „Wenn wir sie in irgendeiner Form zulassen, wird es Menschen geben, die sie für Enhancement nutzen.“ Außerdem könne man Embryos nicht fragen, ob sie mit dem Editieren ihrer Gene einverstanden seien.

Attraktiv für alle: Länger leben

Für Jens Peter Fürste schwingt das Pendel ebenfalls in Richtung Verbot. „Es gibt jedoch eine Art von Enhancement, die auch für viele der hier Anwesenden attraktiv wäre, nämlich die Verlangsamung des Alterns.“ Im Tiermodell habe man das Durchschnittsalter um einen Betrag erhöhen können, der beim Menschen einer Lebenserwartung von 130 Jahren entspräche. Wer würde dazu schon „Nein“ sagen? Vorausgesetzt, in den gewonnenen Jahren fühle man sich nicht wesentlich schlechter als ein 85-Jähriger!

Durch Fragen und Beiträge aus dem Publikum enststand eine lebhafte Diskussion.

Durch Fragen und Beiträge aus dem Publikum enststand eine lebhafte Diskussion.

Nutzpflanzen resistenter machen

Großes Interesse war den Panel-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern anzumerken, als aus dem Publikum schließlich Fragen zur Anwendung von CRISPR/Cas9 bei Pflanzen gestellt wurden. Denn im Film wurde auch gezeigt, wie CRISPR/Cas9 zum Schutz der Umwelt gegen die Auswirkungen des Klimawandels genutzt werden kann.

Wäre es möglich, Spezies gegen sich ändernde Umweltbedingungen resistenter zu machen, wollte eine Teilnehmerin wissen. „An fast allen Nutzpflanzen wird weltweit CRISPR/Cas9 eingesetzt, um sie vor Insekten, Krankheiten und Hitzestress zu schützen“, lautete die Antwort von Reinhard Kunze, Professor für Molekulare Pflanzengenetik.

Thomas Schmülling wies auf ein Problem hin: „In Europa werden mit CRISPR/Cas9 genetisch veränderte Pflanzen allerdings vom Gesetzgeber genauso bewertet wie Pflanzen, die ein neues Gen in sich tragen.“ Das unterbinde hierzulande die Entwicklung und Verbreitung solcher Pflanzen.

„Dabei beschleunigt CRISPR/Cas9 nur, was in der Züchtung seit 10.000 Jahren sowieso schon passiert“, fügte Reinhard Kunze hinzu. An importierten Pflanzen und pflanzlichen Produkten seien diese kleinen Veränderungen im Nachhinein kaum nachzuweisen. „Also sehen wir gerade zu, wie Forscherinnen und Forscher in anderen Ländern resistente Nutzpflanzen entwickeln und auch bei uns auf den Markt bringen.“

Europa schaut zu

Nach Beratungen und Treffen mit der Wissenschaft sei die Politik zwar inzwischen mehrheitlich überzeugt, dass sich die europäischen Gesetze ändern müssten, erklärte Thomas Schmülling. „Aber wer traut sich, die Änderung durchzusetzen? Gentechnik auf dem Acker ist in Europa seit 20 Jahren ein vermintes Feld.“ Erst müsse es gelingen, die Öffentlichkeit mit guten Beispielen vom Unterschied zwischen kleinen und großen Gen-Veränderungen zu überzeugen. „Das wird noch Jahre dauern.“

Die Schlussrunde nutzte Thomas Schmülling, um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu fragen, wie ihnen der Film gefallen habe und ob sie nun CRISPR/Cas9 für sich entdeckt hätten. Die wissenschaftliche Seite kenne sie schon recht gut, antwortete eine Biologiestudentin. Interessanter sei jedoch die Frage, ob und wofür man die Methode überhaupt anwenden solle. Diese Frage müsse die Gesellschaft gemeinsam beantworten. Und der Film sei ein gelungener Ausgangspunkt für eine solche Diskussion.

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